5
Okt
2009

Nah am Wasser

Seit einiger Zeit bin ich ziemlich nah am Wasser gebaut - was sehr untypisch für mich ist, da ich zwar sehr leicht mit anderen (auch fremden) Menschen mitfühle, allerdings dauert es bei mir seeehr lange, bis wirklich Tränen fliessen...

In der letzten Zeit ist das aber anders. Nach (wiedermal) erfolgreicher Verdrängung und damit einhergehender Verwunderung, warum das so ist nun die Erkenntnis, die mich (auch wiedermal) wie ein Hammerschlag traf: Papa hat bald Geburtstag. Papa hat bald Sterbetag.

Aber dieses Mal werde ich diese beiden Daten nicht wieder von mir schieben um dann am Abend des 1. Novembers zusammenzubrechen. Diesmal werde ich die Trauer und den Verlust bewußt zulassen. Allein, anders kann ich es noch nicht. Nein, stimmt nicht ganz. Nicht allein. Hier.

So viele Erinnerungen stürmen wieder auf mich ein. So viele Gefühle, so viele Emotionen. Ich kann mich noch erinnern, als die Ärzte meinem Papa nur noch ein paar Wochen gaben, aber er voller Überzeugung meinte, er würde Krümels ersten Geburtstag noch erleben. Und das hat er auch. Manchmal glaube ich, dass Krümel der oder einer der Gründe war, dass mein Papa so lange durchgehalten hat.

Und dann noch sein 60. Geburtstag. Am 23. Oktober. Auch dieser Tag rückt immer näher.

Es macht mich so oft traurig, dass mein Papa so vieles nicht mehr miterleben konnte und kann. Krümels ersten Kindergartentag. Krümels ersten Schultag. Krümels erste bewußte Weihnachten. Krümels erster Zahnverlust.
Er hätte sich auch mit Herzbube gut verstanden.

Heuer wird es vermutlich doppelt schwer für mich. Herzbube hat am 1. November Geburtstag. Papa hat am 1. November Sterbetag.

Er fehlt mir. Immer noch. Immer. Der Verlust schmerzt, pocht in mir, mal mehr, mal weniger. Aber Papa ist immer da. In meinen Gedanken. In meinem Herzen. In meinen Erinnerungen. Ich fange an, den Verlust und den Schmerz zu verarbeiten. Spät, aber ich fange an damit. Ich lasse Papa los, in die andere Welt, Stück für Stück. Um nur noch die Erinnerungen festzuhalten, die Gedanken an ihn, die stummen Gespräche.

Tag für Tag lächelt mich sein Foto an. Tag für Tag stirbt ein Stück von mir mit ihm. Aber Tag für Tag lächelt ein anderer Teil von mir zurück, lebt für ihn, mit ihm. Erzählt ihm in Gedanken was alles passiert ist, die Ängste, die Sorgen, die Freuden, das Glück. Papa wird immer bei mir sein, immer ein Teil von mir sein. Das Loslassen tut weh, doch das Festhalten noch mehr.

<a href="">
SternchenJG - 6. Okt, 10:13

Hast Du Dir schon mal überlegt, eine Art Ritual für diese Zeit "einzuführen". Irgendetwas, was Du immer wieder, Jahr für Jahr für Dich, für ihn machst?

Ich hatte im Mai ein Trauerseminar von meiner Familienbegleiterausbildung aus. Da war zum Beispiel eine Möglichkeit der "Schmetterling". Zur Bedeutung: Der Schmetterling symbolisiert die Auferstehung und die in verschiedenen Metamorphosen beständige »unsterbliche« Seele.

Bei diesem Ritual schreibt man die einzelnen Buchstaben des Wortes "S C H M E T T E R L I N G" untereinander und schreibt zu jedem Buchstaben ein Wort oder einen Satz mit diesem Buchstaben als Anfang, etwas, das man mit dem Verstorbenen verbindet. Zu 3 oder mehr Buchstaben sucht man sich dann eine Farbe aus, die dazu passt. Im Anschluss malt man einen Schmetterling und malt diesen dann mit den Farben aus. Das könntest Du z.B. auch sehr gut mit Krümel machen.

Ich finde es schonmal sehr gut und mutig, dieses Jahr Deine Trauer bewusst zuzulassen. Das ist ein erster Schritt. Leicht wird es sicher nicht werden, aber die Trauer kann man nicht auf Dauer verdrängen, sonst frisst sie einen in ein paar Jahren total auf. Es ist übrigens auch legitim, die Trauer vor Kindern zuzulassen und ihnen zu erklären, warum man traurig ist. So kommen sie nicht auf die Idee, dass es wegen ihnen wäre. Denn Kinder spüren Trauer sehr intensiv, mehr als man sich vorstellen kann. Sowas kann man nicht vor ihnen verbergen. Nur ein offener Umgang damit hilft ihnen für später, bzw. auch beim Umgang mit eigenen "Verlusten", sei es ein verlorenes Spielzeug, ein gestorbenes Haustier, ein Freund der wegzieht. All sowas.

Ich wünsche Dir ganz ganz viel Kraft für die nächsten Wochen, und dass Du eine Möglichkeit findest, mit der Trauer umzugehen. Fühl Dich lieb umarmt,
Janine

Kayla - 7. Okt, 19:52

Vielen Dank für dein liebes Kommentar. Das mit dem Ritual ist eine wirklich gute Idee. Mein "Ritual" ist, dass ich seit ca. 3 Jahren hier im Blog "Briefe" an Papa schreibe, oder eben auch einfach nur meine Gedanken und Gefühle. Das hilft auch schon. Und mit Herzbube habe ich auch schon das eine oder andere Mal darüber geredet - ein sehr großer Fortschritt für mich. Vielleicht versuche ich den Schmetterling mal - das klingt nach einem wirklich schönen Ritual.
Fühl dich zurück-umarmt. Danke!
Aurisa - 7. Okt, 20:01

Hallo Kayla,
das tut mir sehr leid für dich :(.
Bei mir ist es jetzt auch bald soweit... der erste Todestag meiner Mutter...
Ich fühle mit dir...
Alles Liebe und *umarm*
Klaudia

Kayla - 11. Okt, 18:47

Danke dir, und dir auch alles Liebe für diese Zeit *zurück-umarm*

Alltagsblabla
Arbeit und so
Dies und Das und Überhaupt
Frust
Für Papa
Gedichte
Hoffnung und Glück
Kindermund
Krümel´s Welt
Lieblingsmusik
Mamablues
Schule und so
Ver(w)irrungen
Weihnachten oder so
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren